Elektromobile erleben einen Boom, wie wir ihn noch nicht gesehen haben. Doch der Ersatz des Benzins im Tank mit Strom in der Batterie sorgt noch nicht automatisch für eine umweltfreundliche Mobilität. Wie kann und soll Elektromobilität zielgerichtet gefördert werden?
Damit diese Frage beantwortet werden kann, muss zuerst das Ziel klar sein. Unsere Mobilität erlaubt uns eine deutlich grossräumigere Lebensweise als je zuvor. Wir sind nicht mehr eingekesselt in unserem Dorf, Quartier oder Tal. Wir können kulturelle oder sportliche Angebote in der gesamten Region nutzen, uns mit Menschen im ganzen Land treffen und lange Arbeitswege zurücklegen. Der freie Güterverkehr sorgte für eine Effizienzsteigerung in der Produktion, nie dagewesene Verfügbarkeit von Gütern und damit wachsendem Wohlstand.
Zu diesen Vorteilen gesellen sich die Schattenseiten. Der Verbrauch fossiler Brennstoffe sorgt für die Klimaerwärmung, die Verbrenner sorgen für flächendeckende Luftverschmutzung, dazu Lärmbelastung, der Flächenverbrauch sorgt für eine Abnahme der Biodiversität, die schnellen Fahrzeuge machen das Leben auf der Strasse gefährlich.
Das Ziel der Elektromobilität würde ich also wie folgt formulieren: sie hilft, die Klimaerwärmung und Gesundheitsgefahren zu beenden, die durch den Verkehr verursacht wird, verringert den Flächenbedarf der Mobilität und macht unsere Strassen sicherer. Wie kann die Elektromobilität helfen, die Nachteile der Mobilität zu verringern und welche Massnahmen sind dafür nötig?
Geringere Treibhausgasemissionen stellen sich nur ein, wenn der Strom für die Elektrofahrzeuge mit erneuerbaren Energien produziert wird. Diese Stromquellen sind bei weitem nicht so ausgebaut, dass wir damit von heute auf morgen die verbrannten Treibstoffe ersetzen könnten. Diese Chance haben wir mit fünfzig Jahren Hinhaltepolitik und Leugnung der Klimaerwärmung leider vertan. Grosse Investitionen stehen in kurzer Zeit an, um die Erdölnutzung durch die direkte Nutzung von Sonnenenergie zu ersetzen. Das Problem ist nicht rein finanziell, es stellt sich auch energetisch. Wir müssen unser verbliebenes Erdöl-Budget nutzen, um die direkte Sonnenenergienutzung anzuschieben. Darunter verstehe ich Solarwärme, Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft. Damit das gelingt, sind Einsparungen beim Verkehr unausweichlich. Dies ist möglich mit kleineren Fahrzeugen und einer effizienteren Nutzung der Fahrzeugflotte. Riesige Tesla-Pickups mit Batterie helfen uns nicht, eine umweltfreundliche Mobilität zu erreichen. Elektrofahrzeug müssen kleiner werden als das heutige Verbrennungsauto. Zudem verbraucht die Herstellung der Batterie viel Energie. Diese kann nur kompensiert werden, wenn sich das Fahrzeug viel bewegt. Natürlich würde es nicht helfen, wenn wir alle viel mehr Kilometer pro Person zurücklegen. Das Fahrzeug muss effizienter, das heisst durch mehr Menschen genutzt werden. Das kann erreicht werden durch Car-Sharing, Mitfahrangebote, Mietfahrzeuge oder Auto-Teilen. Auch eine zeitlich gestaffelte Mehrfachnutzung derselben Batterie in vielen Fahrzeugen könnte helfen.
Alle diese Lösungen helfen auch beim zweiten Problem, dem riesigen Flächenverbauch des Verkehrs. Wenn wir schauen, wie viel Strassenfläche in der Schweiz besteht, kommen wir auf rund 400m2 pro Haus. Das entspricht rund vier grosszügigen 4-Zimmer-Wohnungen. Fläche, die versiegelt ist, Lebensräume zerschneidet, Tiere tötet, unzugänglich ist für Erholung.
Das dritte Problem, die schnellen Fahrzeuge, wird in den Städten gelöst durch flächendeckende Einführung von Tempo 30. Gleichzeitig setzen wir jedoch massenhaft deutlich schnellere Elektrofahrzeuge in Betrieb, die dann erst noch auf den Trottoirs der Städte verkehren. Doch dazu gleich mehr.
Wie steht es um die Regelungen im Bereich Elektromobilität in der Schweiz? Unterstützen sie die erwähnten Ziele? Leider zu weiten Teilen nicht. Es fängt damit an, dass wir zwar die Veloinfrastruktur in den Städten ausbauen, diese jedoch zunehmend durch Motorfahrräder mit Pedalen belegt wird, die 50 km/h fahren können. Beschönigend werden diese von der Branche als E-Bikes bezeichnet. Zudem werden kreative Kleinfahrzeuge wie E-Skateboards, Mono-Wheels oder Hoverboards auf allen Wegen verboten. Es geht weiter damit, dass viel zu grosse Elektrofahrzeuge für den Energieausweis mit einem beschönigten Strommix umweltfreundlicher gerechnet werden als sie sind. Eine lösungsorientierte Regelung müsste wesentlich anders aussehen.
Auf Fahrradwegen sollten menschengetriebene Fahrzeuge mit den Massen eines Fahrrads verkehren, dazu Elektrofahrzeuge, die nicht schneller sind als ein:e typische Fahrradfahrer:in. Alles was per Elektroantrieb schneller fährt als 25 km/h, gehört auf die Fahrbahn für Motorfahrzeuge. Das gilt sinngemäss für alle Fahrzeuge mit Pedalen, die die Fahrt nur bis zu 25 km/h unterstützen dürfen. Zudem sollen Fahrzeuge auf der Veloinfrastruktur nicht breiter sein als ein Fahrrad. Neue effiziente Kleinfahrzeuge wie E-Trottinette, E-Skateboards oder Monoräder sollen auf Velowegen erlaubt sein.
Flächen für Fussgänger sollen klar von solchen für Fahrräder und den erwähnten Elektrogeräten getrennt werden. Die skandinavischen Länder, die Niederlande oder auch norddeutsche Städte machen es vor. Fahrräder benötigen eigene durchgehende Verkehrswege, keine verstreute hingesprayten gelben Fahrräder auf schwer erkennbaren Radstreifen, Plätzen, Trottoirs. Ein sinnvoller Fahrradweg soltle markiert sein mit durchgehender Linie als Fahrbahnbegrenzung, Richtungstrennung mit einer Leitlinie und führt über Kreuzungen mit Fahrbahnen für Motorverkehr wie auch Flächen für Fussgänger. Mischzonen für Velos und Fussgänger sind eine Gefahr für alle Teilnehmer und führen zu ständigen Konflikten. Auf Fusswegen sollen Fahrzeuge verkehren dürfen, die mit demselben Tempo wie Fussgänger unterwegs sind, wie z.B. Elektrorollstühle. Zudem Kinder auf durch eigene Muskeln angetriebenen Velos, die sich noch nicht im Verkehr orientieren können.
Auf den Fahrbahnen für Motorfahrzeuge verkehren alle Fahrzeuge mit Höchstgeschwindigkeit über 25 km/h. Ob sie Pedalen dran haben oder nicht, ist dabei unerheblich. Dennoch sind Fahrzeuge mit Pedalen umweltfreundlicher als solche ohne, wie auch andere leichte und kleine Fahrzeuge umweltfreundlicher sind als schwere SUV oder Minibusse. Diese sind auch auf Flächen für Motorverkehr zu bevorzugen. Das kann erreicht werden mit einem Ersatz von Parkplätzen für PKW durch solche für Motorräder, Verkehrsbeschränkungen für grosse Fahrzeuge, die privat genutzt werden. Fahrbahnen für Motorfahrzeuge sollten in erster Linie dazu dienen den öffentlichen Verkehr zu gewährleisten und die Bevölkerung mit nötigen Dienstleistungen zu versorgen. Also Handwerkern die Zufahrt zu den Kunden, Lieferanten die Verteilung von Gütern, Hilfskräften den Zugang zu ihren Einsatzorten ermöglichen. Für Private ist die Nutzung eines eigenen PKWs in gut erschlossenen Gebieten keine Lebensnotwendigkeit. Die Zufahrt zu jeder Liegenschaft mit dem eigenen Fahrzeug muss in Städten nicht garantiert werden. Mobilitätsbedürfnisse lassen sich mit dem öffentlichen Verkehr – zu dem auch Taxis gezählt werden sollten – befriedigen. Transporte können mit Leihfahrzeugen erledigt werden.
Kommen wir noch zum Ziel der reduzierten Luftverschmutzung. Das ist nun wirklich einfach: jedes Elektroauto hilft, die Luftverschmutzung zu verringern. Bei der Lärmbelastung wäre es dasselbe. Leider wird dieser Effekt jedoch bereits erfolgreich bekämpft mit dem angeblichen Schutz von Fussgängern vor „zu leisen“ Fahrzeugen. Heute sind Elektroautos in einer Stadtwohnung bereits lauter hörbar als Verbrenner, die vor dem Haus durchfahren. Es darf vermutet werden, dass die für Elektroautos vorgeschriebene künstliche Lärmerzeugung nicht allein dem Schutz von Blinden dient. Die damit verbundene Abschaffung eines deutlichen Vorteils der Elektromotoren gegenüber Verbrennungsmotoren dürfte den Produzenten der letzteren sehr willkommen sein.
Die Stadt der Zukunft kann deutlich anders aussehen als das heutige Asphaltnetz mit dazwischen eingeklemmten Wohnblöcken. Wir müssen uns nicht auf ewig dem Verkehrslärm und den schwarzen Dreckschwaden in unseren Wohnungen fügen. die Kinder unserer Kinder müssen nicht unbedingt angsterfüllt auf die Fahrbahn starren, bis sie schnurstracks durch die selten aufgehende Lücke in der Blechkarawane auf die andere Strassenseite eilen. Venedig kann uns als Inspiration für eine ganz andere Verkehrsversorgung dienen. Wenige Kanäle für Motorboote dienen dort als Verkehrswege, die Feinverteilung erfolgt ausschliesslich mit Muskelkraft. Auch eine moderne Stadt kann mit einem im Vergleich zu heute grobmaschigen Netz an Wegen für die elektrisch motorisierte Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen organisiert werden. Dieses wird ergänzt durch ein feinmaschiges Netz für muskelgetriebene Fortbewegung zu Fuss, mit dem Fahrrad und elektrischen Kleinstfahrzeugen wie E-Skateboards. Verbrennungsfahrzeuge sind in dieser Stadt nicht mehr anzutreffen. Wer einen Umbau unserer Städte zu erholsamen, menschenfreundlichen Orten für unmöglich hält, sollte sich vor Augen führen, dass das heutige Strassennetz praktisch vollständig nach dem zweiten Weltkrieg entstanden ist. Also in rund 70 Jahren. Für die Reduktion auf ein lebenswertes Mass sollten wir nicht länger benötigen.
Diesen Text habe ich im Oktober 2024 geschrieben.